Potsdam, 01.10.2021. Strahlende Sonne, noch immer keine überfüllten Züge (das Semester hat erst später begonnen) und genug Platz im großen Hörsaal für die Schülerinnen und Schüler, die in Präsenz dabei sein durften: die Vorfreude auf den 17.Potsdamer Lateintag war gewaltig. Das lag auch am Thema „Gesundheit und Krankheit in der Antike“, das einfach immer spannend, derzeit aber dazu besonders aktuell ist.
Prof. Thorsten Fögen war aus Durham angereist und hielt seinen ersten Vortrag vor Publikum seit 18 Monaten. Wir erfuhren, dass Patienten, Ärzte und ihre Behandlungsmethoden beliebtes Thema der Epigramme Martials waren. Er schilderte, welche Mittel gegen Verstopfung helfen können, was Geiz als Krankheit bewirkt, welche Auswirkungen starker Husten oder zu viel Alkoholgenuss haben kann oder was weibliche Hysterie durch zu wenig Sex verhindern soll. Aus Martials spitzer Feder lässt sich folgern, dass es mehr zweifelhafte und erfolglose Ärzte als Ausnahmen davon gab und dass vor allem die griechischen Mediziner in Rom mit Argwohn betrachtet wurden.
Weltweit angesehene Professoren haben uns Vorträge gehalten, das war irgendwie ein cooles Gefühl.
Clara
Dass es in Rom neben den zumeist griechischen Freiberuflern auch öffentliche Ärzte mit einem festen Einkommen, Steuerfreiheit und einem Grundstück (am besten mit Garten, in dem man Kräuter zur Medikamentenherstellung anbaut) gab, schilderte uns Dr. Oliver Overwien. Wie heute war die Versorgung mit Spezialisten in Rom und Pompeji deutlich besser als in ländlichen Gegenden. Neben literarischen Quellen verdeutlichte der Dozent das durch anschauliche archäologische Quellen und präsentierte u.a. einen Plan mit Arzthäusern und Instrumentenfunden aus Pompeji. Sie bewiesen, dass die medizinische Versorgung im 1. Jh. n. Chr. dort besser war als in Europa im 19.Jh.
Die schon in der Antike von Celsus u.a. aufgeschriebenen Regeln für eine gesunde Lebensführung wie lautes Lesen, der Gebrauch von Waffen oder Spazierengehen auf unebenem Boden unter freiem Himmel konnten aber fast nur wohlhabende Römer mit genug Zeit befolgen. Der größte Teil der Stadtbewohner und alle Wissenschaftler (!) zählen jedoch zu den Schwächlichen, die hinsichtlich Verdauung und Bewegung besondere Tipps zu befolgen haben: wer nämlich zu wenig verdaut hat, muss morgens liegenbleiben oder später noch einmal schlafen! Zum Schlaf vor oder nach dem Mittag blieb uns keine Zeit, denn Studierende und Lehrende der Universität hatten spannende Schnupperseminare für die teilnehmenden Schulen vorbereitet.
Valeria Arsinoe, die lüsterne,
mögen Regenwürmer befallen!
Unser Kurs war bei Dr. Sara Chiarini und Ricardo Rinne eingeladen, die vielfältige Materialien zum Thema „Mit Krankheit verfluchen, mit Gesundheit segnen: Religiöser Alltag in der Antike“ vorbereitet hatten. So erfuhren wir Neues über das Anfertigen und Deponieren von Fluchtäfelchen, auf denen man Gegnern, Dieben oder persönlichen Feinden alle Arten von Übeln wünschen konnte. Alle Körperteile konnten betroffen sein, sie sollten von Würmern, Malaria, Blindheit, Schlaflosigkeit, Taubheit, Starre oder Stummheit lange Leiden bis hin zum Tod verursachen. Die Länge der Texte und deren sprachliche Korrektheit waren von Materialverfügbarkeit und dem Bildungsgrad der Verfasser abhängig.
Es folgte ein virtueller Ausflug ins Heiligtum des Asklepios bei Epidauros: Herodot weihte uns in einer Episode von Assassins Creed in die Rituale wie den Tempelschlaf ein oder zeigte uns die Heilungsstelen und Votivgaben dankbarer Patienten. Für alle Interessierten zum Nachschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=Fl6LOBXCPJU&list=PLKLBNmLgEde3ZPjQyqb1zkESWLnydN1IU
Dass es einen Zusammenhang zwischen Gesundheit/Krankheit, Religion und Magie gibt, war mir vorher nicht bewusst. Besonders interessant fand ich den Rundgang durch die antike Heilstätte.
Timon
Wir danken allen, die den Lateintag geplant, vorbereitet und schülergerecht, pannenfrei und mit hohem Erkenntnisgewinn für uns durchgeführt haben.