Eröffnungsveranstaltung im Senatssaal der Humboldt-Universität
Am 6. Dezember 2018 wurde von einem engagierten Team aus Eltern, Lehrkräften und Schulfördervereinen altsprachlicher Gymnasien der Dachverein Alte Sprachen für Berliner Schulen e.V. gegründet. Ziel des Vereins ist es, die Vermittlung altsprachlicher Bildung zu stärken und die gesellschaftliche und politische Akzeptanz des an Berliner Schulen erteilten Latein- und Griechischunterrichts zu erhöhen und sowie die geleistete pädagogische Arbeit ideell und materiell zu unterstützen. Der Verein versteht sich als Klammer zwischen Schulen und will zur Quervernetzung aller Gruppen beitragen (Schulleitung, Lehrerkollegium, Schüler- und Elternschaft, Fördervereine und Alumni). Mit der Vereinsgründung soll in Berlin eine Lücke geschlossen werden, da es vergleichbare und sehr erfolgreiche Vereine bereits an vielen Stellen im Bundesgebiet gibt.
Am 13. Mai 2019 wurde der Dachverein in einer sehr gut besuchten, feierlichen Eröffnungsveranstaltung im Senatssaal der Humboldt-Universität der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach einem Grußwort des Vereinsvorsitzenden Sebastian Semler, einführenden Worten zum altsprachlichen Unterricht an Berliner Schulen durch seinen Stellvertreter Prof. Dr. Stefan Kipf und einem Grußwort von Dr. Werner Simon, dem ehemaligen Fachbereichsleiter Alte Sprachen am Canisius-Kolleg, hielt die renommierte Berliner Journalistin und Publizistin Susanne Leinemann einen Festvortrag zum Thema „In medias res“ – warum Alte Sprachen wieder in den Mittelpunkt der Schule gehören.
Grußwort von Stefan Kipf
Sehr verehrte Frau Leinemann, Herr Dr. Simon und Frau Dr. Heesen, liebe Gründungsmitglieder des Dachvereins, liebe Freundinnen und Freunde des altsprachlichen Unterrichts, sehr verehrte Damen und Herren,
unter den Augen der Brüder Humboldt darf ich Sie heute sehr herzlich hier an der Humboldt-Universität begrüßen – und zwar in mehrfacher Funktion:
- als stellvertretender Direktor des Instituts für Klassische Philologie, das diese Veranstaltung in vielfacher Weise unterstützt,
- als stellvertretender Vorsitzender unseres neuen Vereins, der sich an dieser Stelle für das großartige Engagement unserer Gründungsmitglieder und
der zahlreichen Unterstützer bedanken möchte, - und nicht zuletzt auch als Vorsitzender des Landesverbandes Berlin und Brandenburg im Deutschen Altphilologenverband, der sich über die Existenz des Dachvereins ganz besonders freut, weil wir mit diesem Gemeinschaftsprojekt einen für Berlin neuen Weg beschreiten wollen, um die Fächer Latein und Altgriechisch stärker als bisher in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Zwar ist der altsprachliche Unterricht im Berliner Schulen immer noch breit verankert: So kann man Latein an fast 120 Schulen lernen, darunter an 85% aller Gymnasien (das sind 95 Schulen) und auch an 22 integrierten Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. Auch der Griechischunterricht ist an zehn Schulen präsent, eine Zahl, mit der wir im Vergleich zu anderen Bundesländern zwar sehr gut dastehen, die uns jedoch nicht von der Verpflichtung befreit, für die Attraktivität des Faches hart zu arbeiten.
Der erheblich breiter aufgestellte Lateinunterricht findet unter sehr heterogenen und nicht immer einfachen Bedingungen statt: Wir finden 13 Schulen
mit einem altsprachlichen Bildungsgang, an denen der Lateinunterricht seine größte Ausdehnung hat, bereits mit der fünften Klasse beginnt und in der Regel von einer zumeist großen Zahl von Lateinlehrkräften erteilt wird. Bereits hier ist die Konkurrenz zu anderen grundständigen Angeboten groß und verlangt viel Phantasie und volles Engagement der verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen. Daneben haben wir Schulen, an denen Latein ab der sechsten bzw. siebten Klasse erteilt wird und in deren Schulprogrammen das Fach zumeist noch eine prominente Rolle spielt. Schließlich gibt es zahlreiche Schulen, an denen oft kleine oder Kleinst-Lateinkollegien großartige Arbeit leisten, um mit Latein als dritter oder spätbeginnender Fremdsprache ihren Schülerinnen und Schülern ein wertvolles Bildungsangebot zu machen.
Alle diese Lehrkräfte, vor allem aber die Schülerinnen und Schüler verdienen unsere volle Aufmerksamkeit, damit diejenigen unter ihnen, die bereits Latein und /oder Griechisch lernen, dies unter möglichst guten Bedingungen und mit großer Freude tun können, und damit auch die, die diese wunderbaren Fächer – egal an welcher Schulform – lernen möchten, es auch weiterhin in großer Breite tun können. Es kann nicht nur darum gehen, Verluste gering zu halten, sondern wir müssen uns aktiv und sehr selbstbewusst dafür einsetzen, dass die altsprachlichen Angebote wieder ausgeweitet werden.
Unsere Fächer haben dem Berliner Schulwesen mit seiner kulturell und sprachlich heterogenen Schülerschaft viel zu bieten; unsere Forschungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass ein sprach- und kultursensibler altsprachlicher Unterricht – ganz im Gegenteil zum gängigen Klischee sozialer Ausgrenzung und gnadenloser Selektion – geradezu integrative Kraft entfalten und Bildungschancen fördern kann. Der Dachverein soll dazu beitragen, dies mit Nachdruck in der Öffentlichkeit zu vertreten: Griechisch und Latein liefern unersetzliches sprachliches und kulturelles Orientierungswissen, sie sind das Nächste Fremde, das unsere Kulturtradition nachhaltig geprägt hat und stets präsent ist. Um an Wilhelm von Humboldt zu denken: Beide Sprachen machen einen wesentlichen Kern allgemeiner Menschenbildung aus, unabhängig von kurzlebigen Tagesmoden. Die Alten können nicht veralten, da sie schon alt sind!